Teil 1 unserer mehrteiligen Artikelserie beschäftigt sich mit den Konsequenzen. Was passiert, wenn die Scheinselbstständigkeit im Statusfeststellungsverfahren festgestellt worden ist? Welche Forderungen bzw. Strafen ergeben sich daraus für wen? Was sagt die die Rentenversicherung und das Gesetz dazu (ohne zu tief in die anwaltliche Ebene abzutauchen). In den nächsten Teilen widmen wir uns dann unter anderem mit praktischen Möglichkeiten, wie man dem begegnen kann.
Was passiert, wenn die Scheinselbstständigkeit festgestellt worden ist?
- Beiträge zur Rentenversicherung
- Beiträge zur Sozialversicherung
- Beiträge zur Lohnfortzahlung und Arbeitslosigkeit
Der Soloselbstständige wird für die Vertragslaufzeit als Arbeitnehmer eingestuft. Auf der Basis kann der Kläger (meist die Rentenversicherung) darstellen, welcher Schaden für den Träger entstanden ist, also
Durch diese Einstufung erhält der Soloselbstständige außerdem Ansprüche auf Arbeitnehmerrechte wie Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch, Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall, ? gegenüber dem Auftraggeber.
Aus diesem Szenario heraus entstehen nun:
- Forderungen vorenthaltener Beiträge (mit Verzinsung)
- Strafen durch Vorenthaltung (bei Unwissenheit) und Veruntreuung von Arbeitsentgelt (bei Fahrlässigkeit oder Vorsatz) gemäß Strafgesetzbuch §266a
(https://dejure.org/gesetze/StGB/266a.html)
Nachforderungen: Warum das Risiko zunächst beim Auftraggeber liegt
Das Risiko liegt zunächst beim Auftraggeber. Entscheidend ist hier, dass es in der Verantwortung des Arbeitgebers liegt, die Beiträge abzuführen. Es spielt hier also keine Rolle, ob der Arbeitnehmer einen Anteil übernehmen muss.
Dazu sagt die Rentenversicherung:
»Der Auftraggeber hat - wie auch sonst jeder Arbeitgeber bei seinen Mitarbeitern - zu prüfen, ob ein Auftragnehmer bei ihm abhängig beschäftigt oder für ihn selbstständig tätig ist. Ist ein Auftraggeber der Auffassung, dass im konkreten Einzelfall keine abhängige Beschäftigung vorliegt, ist zwar formal von ihm nichts zu veranlassen.
Er geht jedoch das Risiko ein, dass bei einer Betriebsprüfung der Sachverhalt anders bewertet und dadurch die Nachzahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen erforderlich wird.«
https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Experten/Arbeitgeber-und-Steuerberater/summa-summarum/Lexikon/S/scheinselbststaendige_arbeitnehmer.html
Verjährung: Dabei geht es um die vorenthaltenen Beiträge der letzten vier Jahre (Ablauf Kalenderjahr) bzw. 30 Jahre, falls vorsätzlich vorenthalten.
https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Experten/Arbeitgeber-und-Steuerberater/summa-summarum/Lexikon/V/verjaehrung_von_beitragsanspruechen.html
Nachforderungen: Welches Risiko trägt der Soloselbstständigen (jetzt Arbeitnehmer)?
Was die Sozialbeiträge angeht, haftet der Auftragnehmer (jetzt Arbeitnehmer) nach Angaben der IHK München »maximal drei Monate rückwirkend«
https://www.ihk-muenchen.de/de/Service/Recht-und-Steuern/Arbeitsrecht/Einstellung-von-Arbeitnehmern/Scheinselbst%C3%A4ndigkeit/
Das bedeutet: beim Arbeitnehmer rückt vor allem die Steuerschuld in den Fokus. Er agiert jetzt nicht mehr als selbstständiger, sondern als Arbeitnehmer. Die Steuerschuld wird auf dieser Basis neu berechnet und muss dem Finanzamt einschl. Zinsen zurückerstattet werden. Das kann gravierend sein, wenn durch diesen Fall die Unternehmerschaft als Ganzes erlischt.
Warum ein zwischengeschalteter Vermittler oder eine GmbH das Risiko nicht senkt
Entscheidend ist, bei wem sich der Soloselbstständige »eingegliedert« hat. Insofern hilft es nicht, Unternehmen »dazwischenzuschalten«. Seriöse Vermittler können aber ihren Kunden durch ihre Erfahrung helfen, die Dienste von Soloselbstständigen regelkonform zu nutzen.
Strafen: Was droht dem Auftraggeber und einzelnen Managern?
Da es sich um Sozialbeiträge handelt, wird geprüft, inwiefern der Tatbestand der Vorenthaltung (bei Unwissenheit) oder Veruntreuung von Arbeitsentgelt (bei Fahrlässigkeit oder Vorsatz) gegeben ist.
Hier versteht der Gesetzgeber gemäß Strafgesetzbuch §266a (https://dejure.org/gesetze/StGB/266a.html) keinen Spaß. Dem Arbeitgeber und damit den Verantwortlichen bei Auftraggeber Geldstrafen bis hin zu mehrjährigen Freiheitsstrafen.
Um Fahrlässigkeit zu vermeiden, muss die Geschäftsführung (Managerhaftung!) nachweisen, dass sie Ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen ist. Sorgfältigkeit bedeutet hier nicht nur die passende »Vertragsform« zu wählen (typisches Thema für den Einkauf). Sie bedeutet auch sicherzustellen, dass diese operativ ordnungsgemäß umgesetzt werden (»Operative Compliance«).
Deshalb gehen immer mehr Unternehmen dazu über, das die eigenen Mitarbeiter über entsprechende Dienstanweisungen passende Vorgaben erhalten. Und dass diese über entsprechende Schulungen hinsichtlich Compliance geschult sind (vergleichbar zum Brandschutz).
Verstößt dann ein Mitarbeiter dagegen, kann dieser dann vom Unternehmen haftbar gemacht werden.
Strafen: Was droht dem Soloselbstständigen?
Neben den oben beschriebenen Nachforderungen drohen dem Soloselbstständigen Strafen, wenn er sich durch Vorsatz mitschuldig macht.
So geht es in der Serie weiter:
Teil 2: Wodurch eine Prüfung ausgelöst wird und warum nicht jeder Externe im Fokus ist
Teil 3: Regelkonform eingebunden: Einbindung des Externen jenseits von Weisungen, Arbeitsteiligkeit und Eingliederung in die Organisation
Teil 4: Unternehmerisches Handeln ermöglichen: Leistungsorientierte Abrechnung statt monatlichen Stundenzettel (Risiko vermeiden)
Teil 5: Herausforderung Umdenken: Warum die Veränderungen eigentlich gar nicht so groß sind und wir uns trotzdem so schwer damit tun